09. Oktober 2025
Lydia Pacevicius, blicken wir zurück in die Vergangenheit. Wie kann man sich Ihren Werdegang als Blockflötistin vorstellen?
Aufgewachsen bin ich in Strassburg, die Musik hat im Leben meiner Familie immer schon eine wichtige Rolle gespielt. Ein Grosselternteil stammt aus den Niederlanden, die calvinistische Musikerziehung hatte zu Hause einen festen Platz. Wir haben oft mehrstimmig gesungen, der Grossvater hat uns dabei vom Klavier aus begleitet, meine Grossmutter spielte Blockflöte. Während den Apéros bei den Grosseltern wurden Schallplatten von Frans Brüggen aufgelegt. Und gemäss der lutherischen Kirchenmusiktradition haben wir in den Gottesdiensten im Chor gesungen, Bach und seine Choräle waren omnipräsent. Der soziale Aspekt der Musikausübung ist wichtig: Die Musik unterstreicht die gemeinsamen feierlichen Momente, sie bringt die Menschen zusammen und ist gleichsam die Verbindung zum Menschen. Sie bedeutet aber auch Rückzug, um zu sich selbst zu kommen und eine eigene persönliche Entwicklung einschlagen zu können. Die Musik ist sozusagen Mittlerin zwischen Gemeinschaft und Individualität.
Und dann kam die Blockflöte hinzu
Als Siebenjährige habe ich mit der Blockflöte als Einstiegsinstrument begonnen. Ab dem Alter von zwölf Jahren kam ich ans Conservatoire von Strassburg, der Traum von einer Musikkarriere wurde konkreter. Studiert habe ich dann aber anfänglich Politwissenschaft und Geschichte, danach folgte das Musikstudium an der Schola in Basel, wo ich mit einem Master in Pädagogik und Performance mit Ergänzungsstudium Mittelalter abschloss. Wichtig war es mir immer, verschiedene Lehrer und Systeme zu entdecken, deshalb habe ich auch noch einen Erasmus-Austausch in Lyon gemacht.
Wie war der Start als Lehrperson für Blockflöte an der Musikschule Horw?
In Horw habe ich dank der Arbeit meiner Vorgängerin Andel Strube eine dynamische Klasse angetroffen. Mir ist es seit jeher wichtig, die Blockflöte nicht nur als eine Art soziales Einsteigerinstrument zu betrachten, sondern eine gewisse Präzision einzufordern und die Schülerinnen und Schüler in die verschiedenen Stile einzuarbeiten. Es ist eine Art des präzisen Arbeitens, welches auch meine Kollegin Katja Ebnöther (ebenfalls Lehrerin für Blockflöte) einfordert. Unsere fruchtbare Zusammenarbeit schätze ich sehr.
Wie tauchen Ihre Schülerinnen und Schüler in die Musik vergangener Epochen ein?
Jede Epoche hat ihren eigenen Geschmack, dank des Blockflötenspiels kann die Geschichte musikalische nachvollzogen werden. Die Schülerinnen und Schüler lernen, dass sie durch das Kennen der Regeln in der alten Musik ganz viel Freiheit gewinnen. Alte Musik ist voller Leben und schöpft auch ganz viel Inspiration aus der traditionellen Musik. Sie lernen, die Strukturen und Betonungen zu verstehen, vieles läuft dabei über das Gehör. Der Schlüssel ist die Sprache, die Kinder steigen bei mir mit dem Singen von Liedern ein und lernen Schritt für Schritt das Spielen mit der Struktur. So sind sie beispielsweise ganz fasziniert von den barocken Verzierungen: Diese sind oft in Form von Zeichen notiert, sind also nicht ausgeschrieben und geben durch die Möglichkeit der individuellen Gestaltung ein Gefühl von Freiheit.
Wie sieht der Zugang Ihrer Schülerinnen und Schüler zum Instrument Blockflöte aus?
Oft wählen sie die Blockflöte, weil ihnen das Instrument empfohlen wurde. Sie entdecken aber dann schnell die vielen Möglichkeiten und Stile, welche ihnen zur Verfügung stehen. Und sie merken, dass die Blockflöte in abwechslungsreiches Instrument mit einem grossen Repertoire ist. Dazu kommt auch ein ausgesprochen praktischer Aspekt: Das Instrument ist leicht und kann ganz einfach mitgenommen werden. Einige Schülerinnen wirken nicht nur in den Blockflöten-Ensembles mit, sondern auch in der FolkFabrik. So wird ihr musikalischer Horizont noch mehr erweitert.
Und zu alter Musik?
Die meisten Schüler entdecken durch und mit der Blockflöte die alte Musik. Ihre musikalische Reise führt sie in viele europäische Länder und deren reiche Musiktradition. Mit verschiedenen Methoden wird beispielsweise Polyphonie erfahrbar gemacht, wir spielen mit dem Instrumentarium aus der Blockflötenfamilie und suchen so mögliche Klangfarben und Kombinationen. Die Verzierungslehre ist ein grosses und interessantes Feld, die Kreativität der Schülerinnen und Schüler wird gefördert, indem sie etwa selber Verzierungen erfinden. Sie mögen es, die Affekte, also die verschiedenen Gemütsbewegungen, musikalisch darzustellen. Und von gelegentlich von einem Cembalo begleitet zu werden, ist schon etwas Aussergewöhnliches.
Was bewirkt die Blockflöte bei den Kindern und Jugendlichen?
Es gibt den geschichtlich-wissenschaftlichen Aspekt. Im 16. Jahrhundert war die Blockflöte ein modisches Instrument, wohlhabende Familien besassen ganze Sammlungen von Blockflöten in verschiedenen Grössen. Die daran anknüpfende Barockzeit wird oft als die Blütezeit des Instruments gesehen. Die Bauweise ändert sich um ein grösseres Klang-Spektrum und mehr Virtuosität zu ermöglichen. Anfangs des 18. Jahrhunderts geniesst die Blockflöte an Königshöfen und Fürstenschlössern höchstes Ansehen und kommt in Solokonzerten von so bedeutenden Komponisten wie Vivaldi zu Einsatz. Dieser grossen Tradition werden sich die Schülerinnen und Schüler bewusst. Sie entwickeln eine starke Persönlichkeit, da sie sich ja mit etwas intensiv beschäftigen, dass nicht unbedingt dem Mainstream entspricht. Aber nicht nur der Bezug zur Musik und zum Instrument ist relevant, sondern auch die Beziehung zur Lehrperson. Darüber hinaus halten die anspruchsvollen Wechsel innerhalb der Instrumente der Blockflötenfamilie, also beispielsweise von der Sopran- zur Altblockflöte, das Gedächtnis fit und flexibel. Und wenn jemand aus der Klasse mit irgendeinem Studium beginnt und trotzdem weiterhin noch Blockflöte spielt, dann habe mein Ziel erreicht.
Jetzt steht das grosse Barockkonzert in der reformierten Kirche vor der Tür
Das ist ganz toll, dieses Konzert steht ganz im Zeichen des goldenen Zeitalters der Blockflöte. Wir werden Tänze aus der Renaissance und Werke aus dem Früh- und Hochbarock interpretieren. Gefässe wie das Barockkonzert animieren zu Selbstinitiative, die Schülerinnen und Schüler schliessen sich eigenständig zusammen, üben gemeinsam und präsentieren ihr Können einem grösseren Publikum. Solche Möglichkeiten lassen die Kinder und Jugendliche neugierig werden und wecken ihren Forschungstrieb. Anfänglich stehen sie vor Herausforderungen, machen sich dann ans Üben, überwinden die Schwierigkeiten und gehen gestärkt hervor.